Interview April 2016
Klaus Endress - Präsident wvib und Präsident des Verwaltungsrats der Endress+Hauser AG, Reinach, Schweiz
Was fasziniert Sie am meisten an der Region Südlicher Oberrhein?
Mich begeistern vor allem die mittelständischen Unternehmen, mit ihren Menschen und ihrer Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden und Krisen zu überwinden. In der Schwarzwaldregion und in der Nordwestschweiz – etwas weniger im Elsass – haben wir einen reichen Branchenmix aus dem Maschinenbau, den Automobilzulieferern, der Medizintechnik, der kunststoffverarbeitenden Industrie und nicht zuletzt der Mess- und Regeltechnik. Intensive Forschungskooperationen und die duale Ausbildung mit ihrer unschlagbaren Praxisbezogenheit sind wichtige Grundlagen für den aktuellen und zukünftigen Erfolg der Industrie in der „Schwarzwald AG“– um den uns viele beneiden.
Unser industrieller Mittelstand baut auf einer besonderen Mischung aus Unternehmergeist, Tüftlertum und zupackender Arbeit mit Hand und Hirn auf. Oft stehen dahinter Unternehmerfamilien, die seit vielen Jahrzehnten erfolgreich wirtschaften, die global vernetzt sind und auch so denken. Ohne diese besondere Mentalität wären wir nicht halb so erfolgreich. Das macht die Region krisenfester als viele andere.
Was sind aus Ihrer Sicht prägnante Kennzeichen des hiesigen Arbeitsmarktes?
Hervorragend qualifizierte Fachkräfte sind ein entscheidendes Merkmal, aber leider spüren wir mittlerweile auch den Mangel an gut ausgebildeten Menschen – wobei ich nicht nur von Ingenieuren sondern gerade auch über solide Facharbeiter spreche. Die hohe Qualität der Arbeit – und auch der Arbeitsplätze – kommt weder in der Schweiz noch in Deutschland von ungefähr, sie hat ihre Wurzeln in den ständigen Bemühungen der Unternehmen um zukunftsfähig vorbereitende Ausbildung. Bildung ist aber kein Selbstläufer: In der deutschen Bildungspolitik beobachten wir seit Jahren einen besorgniserregenden Qualitätsverlust. Deshalb hat der wvib gemeinsam mit mehreren regionalen Partnern die „Allianz für Bildung“ ins Leben gerufen, die die Forderung „Bildung braucht Berechenbarkeit“ erhebt. Wir brauchen individuell zugeschnittene Bildungschancen für alle – unabhängig von der sozialen Herkunft. Diese liefert das Bildungssystem immer weniger, weil mit unserer Bildung zu viele Experimente gemacht werden. Ideologische Grabenkämpfe und bürokratisches Flickwerk können wir uns überhaupt nicht leisten. Wir brauchen ein differenziertes, transparentes, durchlässiges und anpassungsfähiges Bildungssystem aus einem Guss mit einer breit getragenen, klaren Vision, die über Jahrzehnte Bestand hat.
Als Unternehmer einer am Oberrhein in allen drei Ländern tätigen Firma verfolge ich den grenzüberschreitenden Austausch natürlich intensiv. Vieles, aber leider nicht alles läuft gut. Zwischen Deutschland und der Schweiz ist die Mobilität von Menschen, Waren und Ideen schon lange auf einem guten Niveau, von dem die Region stark profitiert. Ich hoffe, dass dieser Trend in den kommenden Jahren stabil bleibt. Die Initiative in der Schweiz zur Beschränkung der Zuwanderung wurde ja leider angenommen. Aber die Politiker versuchen immer noch, das Bestmögliche daraus zu machen. Ich hoffe, sie werden erfolgreich sein. Noch aber ist die Kontingentierung nicht in Kraft.
Mit Frankreich würde ich mir noch mehr unbürokratischen Austausch wünschen. Schade finde ich, dass das nagelneue Werk von Johnson Controls in Neuenburg, in dem für PSA Peugeot Citroën gefertigt wurde, nun schon wieder geschlossen werden muss.
Auch wenn es Konzerne geben muss, fühle ich mich dem Leitbild des familiengeführten, nachhaltig wirtschaftenden Mittelstands verpflichtet. Unser Wohlstand, unsere Wirtschaftsstruktur und unser Gemeinwesen hängen massiv davon ab, dass dieser Mittelstand innovativ bleiben kann. Deshalb müssen wir genau darauf achten, wie die Politik Bildung, aber auch die Regulierung des Arbeitsmarkts, die Erbschaftsteuer oder den Freihandel diskutiert.
Wenn Sie nicht die Position bekleiden würden, die Sie durch Ihren Lebensweg innehaben: Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, bzw. in welcher Branche wären Sie gerne tätig?
Mit meinem Schicksal als Unternehmer bin ich durchaus zufrieden, ich bin aber auch gerne in der Natur. Wenn ich nicht in als Unternehmer Ideen säen würde, dann wäre ich vielleicht auch ein guter Landschaftsarchitekt geworden.
Was fällt Ihnen bei dem Satz: „Wir hier im Süden!“ ein?
Weltoffenheit und Liberalität im Dreiländereck sehe ich als bewundernswerte Gemeinsamkeiten, die diese Region stark gemacht haben. Zunehmende Grenzkontrollen im Schengen-Raum empfinde ich als Armutszeugnis. Wenn wir weiterhin in einer so erfolgreichen Region leben wollen, müssen alle auch nach diesen Werten handeln – reden alleine reicht nicht!